Wahlprüfsteine zur bayerischen Landtagswahl 2018
Im Vorfeld der Landtagswahlen wollten wir alle bislang im Landtag vertretenen Parteien auf spezielle Anliegen von Amnesty International aufmerksam machen und deren Positionen dazu abfragen. Dabei handelt es sich um Themenbereiche wie rechtswidrige Polizeigewalt, das neue Polizeiaufgabengesetz sowie die Bereiche Asylverfahren und Flüchtlingsschutz.
Fragen
1. POLIZEI
Polizeibeamte haben eine schwierige, gefährliche und oft mit großen persönlichen Risiken verbundene Aufgabe; die große Mehrheit von ihnen erfüllt ihre Pflichten professionell und im Einklang mit dem Gesetz. Dennoch kommt es immer wieder zu Vorwürfen gegen Polizeibeamte wegen Misshandlungen oder unverhältnismäßiger Gewaltanwendung. Diese müssen unabhängig und unparteiisch aufgeklärt werden.
Unsere Fragen an die Politiker:
1. Wie stehen Sie / Ihre Partei zur individuellen Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten?
2. Wie stehen zur Forderung nach einem unabhängigen Untersuchungsgremium bei Fällen von Polizeigewalt (anstelle Zuordnung zum LKA)?
3. Wie stehen Sie zu der Möglichkeit nach den (geplanten und bereits vorgenommenen) Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes, Personen bereits aufgrund einer drohenden Gefahr mit weitreichenden Eingriffen zu belegen (Ingewahrsamnahme, Telekommunikationsüberwachung, elektronische Fußfessel)?
4. Halten Sie die Verankerung von Menschenrechtsbildung als eigener Lehrinhalt in der Aus- und Fortbildung aller Polizeibeamten für wichtig?
5. Was halten Sie von verstärktem Anti-Rassismus-Training, um “racial profiling” zu verhindern?
6. Wie stehen Sie zur Ausweitung der Video- und Audioüberwachung in allen Bereichen von Polizeiwachen, in denen sich Inhaftierte aufhalten, sofern dies nicht das Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf vertrauliche Gespräche mit einem Rechtsbeistand oder Arzt verletzt?
2. ASYL UND FLÜCHTLINGSSCHUTZ
Faire und sorgfältige Asylverfahren Um Schutzansprüchen geltend zu machen und menschen- sowie verfassungsrechtliche Verpflichtungen zu wahren, brauchen Asylsuchende Zugang zu einem fairen Asylverfahren. Die Qualität der Asylverfahren muss Vorrang vor Schnelligkeit haben. Inzwischen wird in den neu eingerichteten Ankunftszentren über ein Asylverfahren innerhalb von 48 Stunden entschieden. Die Betroffenen haben dort oftmals keinen Zugang zu einer qualifizierten Beratung vor Beginn ihrer Anhörung. Inzwischen wird in Bayern sogar unabhängigen Asylberatungen und NGOs der Zugang zu den Einrichtungen und Unterkünften verwehrt. Laut Koalitionsvertrag ist zudem eine Einstufung der Maghreb-Staaten (Tunesien, Algerien, Marokko) als sichere Herkunftsländer geplant. Amnesty hält den Begriff eines sicheren Herkunftslandes mit dem Anspruch auf ein faires Asylverfahren unvereinbar, da die Asylsuchenden die Vermutung der Sicherheit in ihrem Einzelfall widerlegen müssen. Außerdem werden die Rechtsschutzfristen verkürzt.
Unsere Fragen an die Politiker:
1.1 Wie kann gewährleistet werden, dass Asylsuchende einen Zugang zu unabhängiger, kostenloser und qualifizierter Verfahrensberatung bekommen?
1.2 Werden Sie sich für einen Zugang von unabhängigen Asylberatungen und NGOs in die Einrichtungen und Unterkünfte einsetzen?
1.3 Welche Maßnahmen müssten Ihres Erachtens ergriffen werden, um eine effektive Qualitätssicherung der Asylverfahren sicherzustellen?
1.4 Werden Sie sich gegen eine Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer einsetzen?
2. Abschiebungen nach Afghanistan
Deutschland hat seit Oktober 2016 in mehreren Sammelabschiebungen mehr als 200 Afghanen abgeschoben. Nach der Einschätzung der Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan durch Amnesty International kann kein Teil des Landes als sicher gelten, da die Zivilbevölkerung einem erheblichen Risiko von schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist. Die Rückführungen stellen einen Verstoß gegen geltendes Völkerrecht dar, denn es ist nach der Europäischen Menschenrechtskonvention verboten, Menschen in Länder zurückzuschicken, in denen ihnen unmenschliche Behandlung, Gefahr für Leib und Leben oder Verfolgung droht – dies gilt für alle Personen.
Unsere Fragen an die Politiker:
2.1 Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Abschiebungen nach Afghanistan derzeit gestoppt werden?
2.2 Wie kann Deutschland seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommen, Asylsuchende nicht in Länder abzuschieben, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen?
3. Zugang zum individuellen Asylrecht in Europa
Amnesty International ist in großer Sorge um den Fortbestand des individuellen Asylrechts in der EU. Die EU-Kommission plant den Flüchtlingsschutz verstärkt auf Drittstaaten außerhalb der EU zu verlagern. Hierfür soll das Konzept der sog. sicheren Drittstaaten ausgeweitet werden. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen die betroffenen Asylbewerber ohne inhaltliche Prüfung der Asylgründe in Drittstaaten zurückschicken können, wie dies bereits mit dem EU-Türkei-Abkommen vorgesehen ist. Deswegen fordert Amnesty International die Erhaltung der geltenden völker-, menschen- und europarechtlichen Standards. Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz – auch in Europa.
Unsere Frage an die Politiker:
3.1 Wie positionieren Sie sich zu dieser Forderung und lehnen Sie eine Einführung einer verpflichteten Drittstaatenregelung ab oder befürworten Sie diese?
4. Resettlement
Resettlement bezeichnet das Programm des UNHCR, das dazu dient, besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in einem anderen Land zu gewähren. Dies ist stets dann der Fall, wenn eine Rückkehr in das Herkunftsland nicht möglich ist und eine Integrationsperspektive im Staat, wo sich der Flüchtling aufhält, nicht gegeben ist. Die Flüchtlinge werden vom UNHCR ausgewählt und an die Aufnahmeländer vermittelt, so dass sie ihr Leben nicht auf der Flucht riskieren müssen.
Unsere Frage an die Politiker:
4.1 Setzen Sie sich dafür ein, dass Deutschland für Personen, die vom UNHCR als besonders schutzbedürftig eingeordnet sind, deutlich mehr Resettlement-Plätze bereitstellt als bisher?
5. Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte
”’Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass ab August 2018 eine Neuregelung des Familiennachzuges zu subsidiär Schutzberechtigten nur noch aus humanitären Gründen in einem gestaffelten Nachzug von 1000 Personen/Monat möglich sein wird. In der Praxis heißt dies, dass Familien, die seit 2016 auf die Familienzusammenführung warten, über mehrere Jahre getrennt bleiben oder gar nicht mehr die Möglichkeit auf Familienzusammenführung haben werden. Amnesty International kritisiert diese Gesetzesänderung und fordert das Recht auf Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ohne Begrenzung.”’
Unsere Frage an die Politiker:
5.1 Setzen Sie sich auf Bundesebene dafür ein, dass der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder uneingeschränkt möglich wird?
Hier die Antworten: